austria - innsbruck - mariahilfstraße 40  
michael lang
malerei und zeichnung

eröffnung
12. september, 19h

12. september - 16. oktober 2009
geöffnet mo - fr 11 - 15 h

 

zur aktuellen Ausstellung
Maria Rauch, kooio, September 2009

Michael Langs Bilder entstehen spontan und mit großer Geschwindigkeit.

Erst wenn er den Pinsel ansetzt, weiß er, was entstehen wird: Kopf oder Akt, Patti Smith, ein Engel, ein Buddha oder eine Blume. Der Bildaufbau ist spontan, die Komposition entsteht während Sekunden. Sie entwickelt sich aus der Vison des Motivs, baut sich auf durch die Handschrift, die eine große Emotionalität zulässt und transkribiert, und wird mit der dem Künstler natürlichen formalen Sicherheit abgeschlossen. Er malt mit großer Schnelligkeit ein Bild nach dem anderen, oft viele Stunden lang. Das Ergebis gehört in den Bereich der Fauves, des "Wild Style".

In diesem Sommer stand kooio Michael Lang als Atelier zur Verfügung. Die gezeigten Arbeiten sind eine kleine Auswahl der Bilder, die in den vergangenen zwei Monaten hier entstanden sind.


Michael Lang: "Unsere Karawanserei heißt nicht Verzweiflung" (7)
Stefan Leitner, büro diderot, 1992

Sehe ihn vor mir, wie er im Louvre mit einem Taschentuch den Staub von einem Goya wischt. Obwohl er selber keine Pinselhaare in seinen Bildern dulden kann, sind Bilder für ihn Lebewesen, die man auch wie ein EKG bettrachten sollte. Die ganze Welt ist ein (selbstorganisierender, würden Rauch und Feuerstein in Anlehnung an Maturana sagen) Organismus.

Seine Technik vergleicht der Autodidakt - der Autodiddakt war ja ursprünglich der Vater aller Didakten - Michael Lang mit dem Phasentrick im Film. Es beginnt mit einer Linie, Tupfer, die im Lauf des Malprozesses kombiniert werden und je nach Stadium am Ende in eine auf den ersten Blick ziemlich wilde, verdichtete oder lyrische Form münden, oder im ersten Stadium verharren.

Das tragische der Künstler ist ja, "dass sie eine so hohe Achtung vor dem Leben haben (müssen) dass sie niemanden töten können." Vielleicht ist "können" das falsche Wort. Jedenfalls redet der Maler druckreif, und das macht ihn zu einem der belesensten der allgemein schon überdurchschnittlich belesenen KünstlerInnen. Er ist der Dichter und Visionär ("jeder Österrreicher sollte seine Staatsbürgerschaft zurücklegen", "die Künstler sollten die Galerien bestreiken") unter ihnen. So ist es sein lang gehegter Wunsch, den Urmeter einmal in eine Kreisform zu biegen.

Mit den oftmals üblen Machenschaften der Galeristen vertraut, wusste er schon früh, dass er immer auf Brotarbeit angewiesen sein wird, und kommt er in Anlehnung an Bodhidharma zu folgender Bilanz: "Ich habe zwanzig Jahre lang am Fluss Wasser ausgeschenkt, und mein Lohn war nichtig."

"Alles was nicht verunstaltet ist, hat kein menschlichers Gesicht", schrieb Baudelaire, und dieses "Verunstaltete"(8) ist ein Lei(d)tmotiv im Werk dieses Malers (z.B. "Gekreuzigter Roma"). Aber es gibt noch andere, wie "Nepal" oder "das Dach der Welt" (z.B. "Selstportrait als Indianer", 1979 (9)) Nicht von ungefähr nennt er seinen Stil einen"buddhistischen Kubismus".

"Jackson Pollock was a nigger, nigger nigger too" singt Pattie Smith, eine seiner Heroinen auf, ich glaube, "Radio Ethiopia". Pattie Smith ist auch der Titel eines gieichnamigen Films aus den 1969er Jahren, der von einer vergewaltigten Frau handelt. Eine passende Überleitung zu seinem berührenden Frauenaktzyklus, der auch ein "Aid memoire an die Art Brut" (10) oder de Koonigs Zyklus "Women" ist, und Mitte Mai 1992 im Cafe "Treffpunkt", einer Einrichtung der Gesellschaft für psychische Hygiene, gegründet von Prof. Hinterhuber, gezeigt wurde. Dieser Frauenzyklus, Zeugnis einer glühenden "Femmage" ans andere Geschlecht, entstand auf Anregung des Innsbrucker Frauenzentrums und wurde hier das erste Mal ausgestellt. Da hat er geglüht, da ist Liebe und Begierde sichtbar gemacht. Während in den anderen Bildern dieser Ausstellung religiöse Motive (Engel, Jesus am Kreuz, Franziskus, Buddha) zum Tragen kommen. Hier zeigt sich der Malaer von seiner funkigen Seite, wenn er grafittiartig Titel wie "Rhabarber Nirvana, Vincenz da Vinci Grogg (Grock)" oder "Zorro" in seine Bilder hineinkrizzelt. Stilistisch sind auch diese eng mit der Art Brut verwandt, gepaart mit einem fundierten Wissen um das Kolorit, das er neben der klaren Linie an Matisse am meisten bewundert. Obwohl diese Akte merklich einer männlichen Handschrift entstammen, sind es gerade diese Eigenschaften, seine gesunde Naivität und sein Können, wie sein oszillierender Weltschmerz und seine Selbstironie, die es ihm erlauben, das Weibliche und (Schein)heilige darzustellen, ohne es zu verraten.

Fußnoten:
(7) Titel einer leider nicht erschienenen Ausstellungsbesprechung. Vgl. Stephan Marks Buch: "Kommt! Unsere Karawane heißt nicht Verzweiflung" Neue Politik, Spritualität, Aktionen, Focus Verl., 1984

(8) Oder besser "Deformierte", wie folgende Passage in Louis Althussers Aufsatz "Cremonini, Maler des Abstrakten" (1966), die ich, weil ich sie für entscheidend halte, ausfühlrich zitiere, nahelegt: "Man hat sie (die Bilder Cremoninis, Anm.) als Expressionismus verschrien, die entstellten, zuweilen anscheinend monströsen oder gar verunstalteten Gesichter. Ist man doch bei einer religiös-humanistischen Ideologie von der Funktion des menschlichen Gesichtes in der Kunst stehengeblieben, gleichwohl auch bei einer Ideologie des Hässlichen (die Ästhetik des Hässlichen ist die Ideologie des Expressionismus), die nicht zwischen Deformation (déformation) und Verunstaltung (difformité) unterscheidet. (...) Die Ästhetik der Verunstaltung (des Hässlichen ) ist in ihrem Prinzip keine Kritik oder Aufhebung dieser humanistisch-ideologischen Kategorien, sondern eine ihrer gängigen Varianten. Die menschlichen Gesichter auf den Bildern Cremoninis sind nicht expressionistisch, weil sie nicht verunstaltet, sindern deformiert sind: ihre Deformation ist nur eine determinierte Abwesenheit der Form, ist "Darstellung" ihrer Anonymität. Und diese Anonymität ist es, die die humanistisch-ideologischen Kategorien nachdrücklich zurückweist. Strenggenommen ist die Deformation der Gesichter bei Cremonini deshalb eine determinierte Deformation, weil sie auf einem Gesicht nicht eine Identität durch eine andere ersetzt, weil sie den Gesichtern keinen besonderen "Ausdruck" (von Seele, von Subjekt) verleiht. Anstatt ihnen einen anderern "Ausdruck" zu geben, entzieht er den Gesichtern mit jeglichem Ausdruck auch die ideologische Funktion, die dieser Ausdruck in der Komplizenschaft der humanistischen Kunstideologie behauptet (aus: Alternative, 119/1978)

(9) Dies ist auch eines von drei Bildern, die Günter Moschig im zweibändigen Bestandskatalog der Sammlung des Instituts für Kunstgeschichte der Universität Innsbruck beschrieben hat.

(10) Es soll nicht verschwiegen werden, dass Michael Lang, der zugibt, dass er ohne van Gogh - dem Maler mit den zwei gebrochenen (nicht linken) Händen - nie selber einer geworden wäre, in psychiatrischer Behandlung ist. Das war - im Gegensatz zu Mölk - bei Tiefenthaler nicht anders. Vielleicht ist das der Preis dafür, dass seine Bilder auf manche Betrachter eine therapeutische Wirkung ausüben. So gesehen ist Lang, der sich in der pharmazeutischen Industrie schon fast so gut auskennt wie in der Geschichte der Malerei, ein gefundenes Fressen für alle Galerie-Mediziner.

 

Zitate:

Sieglinde Hirn: "Michael Lang", 1986, Stadtturmgalerie, Innsbruck
„Er verdichtet seine Träume und Phantasien am Blatt zu einer suggestiven Gegenwelt, lässt Gesichter und immer wieder weibliche Figuren aus einer kräftigen, oft pastos aufgetragenen Farbwoge tauchen. Zu sehen war auch noch eine Folge skizzenhafter Zeichnungen.“ (1)

Sieglinde Hirn: "Neue Mitglieder der Tiroler Künstlerschaft", 1987, Tiroler Kunstpavillion, Innsbruck
„… skizzenhafte Zeichnungen und dämonische, aus einem überbordenden Farbgewoge tauchende Gesichter von Michael Lang …“ (2)

Günter Moschig: "Kunst in Tirol", 1997, Hrsg. Christoph Bertsch, Inst. für Kunstgeschichte Innsbruck
„Lang artikuliert spontan und visualisiert Ängste und Visionen. Sein malerischer Automatismus bringt psychische Befindlichkeiten in einer radikalen Direktheit aufs Papier, weist hin auf Urzustände elementarer bildnerischer Kraft. Der Selbstporträtierte hilft hier den Indianern die Götter wieder zu finden. Die Farbe nimmt mit ihrem gestischen Auftrag die Spurensuche auf …..“. „Die getönte Zeichnung ermöglicht im skizzenhaften spontanen Hinwerfen das Erfassen psychischer Zustände. Lang ist Augenzeuge eines chaotischen und dämonischen Weltzustandes. Mit nervösem Strich sind Mensch und Tier und ihre zivilisatorische Entfremdung in den Mittelpunkt gerückt. Die expressiv-gestische Malerlei langs deklariert die Intensität der Seelenlagen seiner Existenz ….“ (3)

Inge Praxmarer: "Die Frage nach der menschlichen Individualität. Das Porträt in Tirol im 20. Jahrhundert", Tirol n° 65, Winter 2004/2005, Innsbruck
„Die Bilder von Michael Lang (1954 in Innsbruck geboren) entstehen erst beim Malen. Sie erfolgen spontan, basieren nicht auf Überlegungen, Betrachtungen oder auf einem vergleichenden und prüfenden Denken. Sie verdeutlichen Zuständliches, was sowohl den Inhalt als auch die Form betrifft. Die Darstellungsweise entspricht einer empfundenen, im Inneren erlebten Natur. Heftig und bewegt überlagern sich die Pinselstriche im „Selbstporträt als Indianer“ (1979). Dennoch vermag das Antlitz des Porträtierten aus dem Gewirr der Pinselhiebe durchzubrechen. Helle, jedoch gedämpfte Farben dominieren das Bild. Hingegen ist das „Frauenporträt“ (1983) mit ruhig und scheinbar leicht geführten breiten Pinselstrichen festgehalten. Blau- und Grüntöne bestimmen das maskengleiche Gesicht. Die Basis dieser Porträts ist die innere Wahrnehmungsebene, welche das Äußere gestaltet. Vorgestelltes, Gefühltes, Gesehenes, Bewusstes und Unbewusstes werden miteinander verknüpft. Von
Bedeutung ist das Assoziieren, das von einem Außenreiz, dem zu Porträtierenden, abhängig ist und auch darauf Bezug nimmt.“ (4, S. 74.)

„Michael Lang’s (born in Innsbruck in 1954) paintings develop spontaneously on the job. They are not based on reflection, observation or comparison and examination. In content and in form they elucidate conditions. The manner of depiction corresponds to a sensed, inward nature. In “Self-portrait as an American Indian” (1979) the brushstrokes overlap vigorously an animatedly. The subject’s countenance nevertheless breaks through the tangle. Light, yet muted colours dominate. The “Portrait of a Woman” (1983), on the other hand, is captured with calm, seemingly light brushwork. Blue and green tones determine the mask-like face. The basis of these portraits is their insight which shapes the outward appearance. What is imagined, felt and seen, the conscious and the unconscious, are linked. Association is of importance, it is dependent on an outer stimulus, the person being portrayed, and it has reference to that person.” (4, S.83-84 )

Literaturnachweise:

(1) Sieglinde Hirn, „Ausstellungen in der Stadtturmgalerie, Jänner 1986 bis Ende Juli 1987“, Kulturberichte aus Tirol, Okt. 1987. S.10-; in: Sieglinde Hirn: Pressetexte 1985 – 1990. Zu Ausstellungen in Tiroler Kunstpavillon, Kleiner Hofgarten, Rennweg 8a, Innsbruck, Stadtturmgalerie, Herzog-Friedrich-Straße 21, Innsbruck u.a., [S.l.], 1985-1990 ([1991]). Bl. 88. UB-Sign. 618/1519 (Inst. f. Kunstgeschichte)

(2) „14 neue Mitglieder der Tiroler Künstlerschaft", vom 15.1. – 1.2.1987“. ibid. Bl. 92.

(3) Günter Moschig, " Kunst in Tirol" : 20. Jahrhundert … / hrsg. v. Christoph Bertsch unter Mitarb. von Marion Boday ..., Innsbruck, Inst. f. Kunstgeschichte, 1997. 1-2. S.368-73. (Ausstellungskatalog ; 10)

(4) Inge Praxmarer, „Die Frage nach der menschlichen Individualität. Das Porträt in Tirol im 20. Jahrhundert, Teil 2 (nach 1945)
"The question of human idnivduality. Portraiture in the Tyrol in the 20th century, Part 2 (after 1945)“, Tirol n° 65, Winter 2004/2005. S.74 (Sign. UB 19728/65,1. Ex.)

 

Michael Lang Biographie

1954 geb. in Innsbruck
Hochschule für angewandte Kunst Wien bei Prof. Oberhuber
Reisen nach Holland, Belgien, Luxemburg, England, Frankreich, Schweiz, Liechtenstein, Monaco, San Marino, Italien, Vatikan, Zypern, Jugoslavien, Westdeutschland, Ostdeutschland, Griechenland, Israel, Westbank, Lybien, Saudi Arabien, Bangladesh, Indien, Nepal
Lebt und arbeitet in Innsbruck

Ausstellungen 1983-2009

1983, 13.-22 Juni: Geist und Form, Komm, Innsbruck

1986,15.1.-12.2.: Stadtturmgalerie, Tiroler Künstlerschaft, Innsbruck, Einzelausstellung

1987,15.1.-1.2.: 14 meue Mitglieder der Tiroler Künstlerschaft, Tiroler Kunstpavillion, Innsbruck

1992, Café im Treffpunkt Domplatz, Gesellschaft für psychische Gesundheit – pro mente Tirol (GPG), Innsbruck, Einzelausstellung

1996,15.3.: Ausstellung im Stadtkino Landeck (u.a. mit Künstler aus Gugging, der Lebenshilfe Lienz und einer Lesung von Paulmichl) im Rahmen des Special Olympics Art Festival (Gebhard Schatz), Landeck

1998, 30.9.-15.10.: „‘Mit Menschen‘. Arbeiten anonym Schaffender“,
Bundesfachschule für wirtschaftliche Berufe, Technikerstraße 7a, Innsbruck.
Veranstalter: Psychosozialer Pflegedienst Tirol (PSP), Innsbruck.

2009, 23.1.-23.3.: Siebdruckausstellung im Rahmen von „mobiler Siebdruck mit dem Warhol Set“
von cunst&co. in der pmk, Innsbruck

2009, 12.9.-16.10.: Einzelausstellung, Galerie kooio, Forum für Kunst und Kommunikation, Innsbruck

ausserdem (Datum unklar):
Kunsthalle 2, Atzinger, mit Hellmut Bruch und anderen
Ferdinand Maier, Kitzbühel
Atelier Schöpfstraße (Kino)
2 mal im Komm

Literaturnachweise

(1) Sieglinde Hirn, „Ausstellungen in der Stadtturmgalerie, Jänner 1986 bis Ende Juli 1987“, Kulturberichte aus Tirol, Okt. 1987. S.10-; in: Sieglinde Hirn: Pressetexte 1985 – 1990. Zu Ausstellungen in Tiroler Kunstpavillon, Kleiner Hofgarten, Rennweg 8a, Innsbruck, Stadtturmgalerie, Herzog-Friedrich-Straße 21, Innsbruck u.a., [S.l.], 1985-1990 ([1991]). Bl. 88. UB-Sign. 618/1519 (Inst. f. Kunstgeschichte)

(2) „14 neue Mitglieder der Tiroler Künstlerschaft", vom 15.1. – 1.2.1987“. ibid. Bl. 92.

(3) Günter Moschig, " Kunst in Tirol" : 20. Jahrhundert … / hrsg. v. Christoph Bertsch unter Mitarb. von Marion Boday ..., Innsbruck, Inst. f. Kunstgeschichte, 1997. 1-2. S.368-73. (Ausstellungskatalog ; 10)

(4) Inge Praxmarer, „Die Frage nach der menschlichen Individualität. Das Porträt in Tirol im 20. Jahrhundert, Teil 2 (nach 1945)
"The question of human idnivduality. Portraiture in the Tyrol in the 20th century, Part 2 (after 1945)“, Tirol n° 65, Winter 2004/2005. S.74 (Sign. UB 19728/65,1. Ex.)

5) 1986, Kleine Zeitung, Edith Schlocker

kooio - Michael Lang - 2009

kooio - Michael Lang - 2009

kooio - michael lang - 2009