austria - innsbruck - mariahilfstraße 40  
tom zabel
7 feuer und keine leiche

samstag, 6. Juni um 19h
performance: siebtes feuer

ausstellungsdauer: 6.Juni bis 26. Juni 2009

freitag, 26. juni, 19h
kooio kunstgespräch

joseph beuys - jeder mensch ein künstler
offene diskussion, im rahmen des
mariahilfer straßenfest kultur am inn,
26. juni, 15 - 21h

di, mi 9.00 - 11.30, do, fr 15 - 19 uhr
und nach Vereinbarung geöffnet

 

Der Performance- und Objektkünstler Tom Zabel beschäftigt sich in seinem Projekt "7 Feuer und keine Leiche" mit dem Thema der Ansammlung, Umformung und Loslösung von Besitz, wobei er Beziehungen zwischen materiellem und geistigem Besitz aufzeigt.

Der Vorgang der Besitz-Ansammlung und -Umformung in unserem Alltag findet allmählich und oft unkontrolliert statt. Er wird beeinflusst durch bewusste und unbewusste Ebenen. Menschen sammeln Besitz aus Gründen an, die manchmal nicht leicht rational nachvollziehbar sind. Ob Eitelkeit oder Scham, unser Besitz umgibt uns wie ein Kleid. Er kann Werkzeug zur Macht, Mittel zur Kommunikation oder Gefängnis sein. Der Titel "7 Feuer und keine Leiche" bezieht sich auf den Dokumentarfilm "7 Mulden und eine Leiche" des Schweizer Journalisten Thomas Haemmerli, der das Entrümpeln der Wohnung seiner verstorbenen Mutter zum Thema hat, die unter dem Messiesyndrom litt. Der Zustand des Messie ist eine extreme Ausformung von Besitzverhalten in unserer Zeit, eine der dunklen Kehrseiten unseres Wirtschafssystems neben Superreichtum und Obdachlosigkeit.

Für Tom Zabel können Installation und Performance wie das antike Drama oder schamanistische Rituale eine Katharsis bewirken und dadurch zu tatsächlichen Lebensänderungen führen. Kunst als Therapie: ein Über-Lebensmittel, das dem Künstler und allen Beteiligten dazu verhilft, neue Entwicklungsebenen zu erreichen.

Maria Rauch

 

"7 Feuer und keine Leiche" beschäftigt sich mit dem Thema materieller und geistiger Besitz. Materieller Besitz spielt in unserem Leben eine grundlegende Rolle. Neben Lebenserhaltung und Zukunftsvorsorge hat er auch die Funktion, unsere Interessen und unsere Lebensart sichtbar zu machen. Menschen sammeln Besitz aus verschiedenen Gründen an, die manchmal nicht leicht rational nachvollziehbar sind. Ob Eitelkeit oder Scham, unser Besitz umgibt uns wie ein Kleid und macht unsere Eigenart sichtbar. Auch die Art, wie sich Menschen von ihrem Besitz wieder lösen - ihr Kleid umformen - hat unendlich viele Variationen.

Der Titel "7 Feuer und keine Leiche" bezieht sich auf den Dokumentarfilm des Schweizer Journalisten Thomas Haemmerli "7 Mulden und eine Leiche" (2007), der das Entrümpeln der Wohnung seiner Mutter, die unter dem Messiesyndrom litt, zum Thema hat.

Im Alter von 23 Jahren hat sich Tom Zabel in einer Aktion, die er dokumentiert hat, all seines Besitzes entledigt, indem er ihn zum Teil zur städtischen Müllverbrennung brachte, zum Teil im Garten seiner Eltern vergrub. Er vernichtete seine eigene künstlerische Arbeit und was er von anderen Künstlern besaß, seine Bücher, Musik - alles. Heute steht er dieser Aktion ambivalent gegenüber. Er spricht über sich als "irgendwie fehlgeleiteten jungen Mann auf dem Weg, sich seine eigene Initiation zum Erwachsenwerden zu fabrizieren ...", während Respekt und Bewunderung für die jugendliche Radikalität in seiner Stimme mitschwingen.

Dieser Akt hat Spuren in ihm hinterlassen, die er seitdem als "geistigen Besitz" mit sich herumträgt. Geistiger Besitz entsteht durch prägende Erfahrungen, Menschen, Bücher usw. Seine Form und Umformung, sein Ausmaß und sein Loslassen sind weniger leicht reflektierbar, weil er nicht direkt sichtbar ist. Er wohnt in unserem Inneren und steht uns näher als der materielle Besitz. Unser geistiger Besitz formt und steuert die Form und Umformung unseres materiellen Besitzes, wird aber von ihm auch wiederum beeinflusst.

Viel Zeit ist vergangen und heute sieht sich Tom Zabel wieder vor der Aufgabe, sich intensiv mit seinem Besitz zu befassen. Eine Übersiedlung bringt ihm zu Bewusstsein, wieviel Besitz sich angesammelt hat und dass es erneut an der Zeit ist, sich von vielem zu lösen. Der selbstzerstörerische Aspekt soll diesmal vermieden werden. Klare Unterscheidungen sind gefragt. Die Dinge erzählen eine Geschichte. Als Objektkünstler beschäftigt sich Tom Zabel mit Dingen, die andere Leute nicht beachten - Stöcke, Steine, Verpackungen... Was macht einen Gegenstand zum Objekt? Wo ist Wert, wo Unwert? Wo endet Kunst, Symbol, Potential - wo beginnt das Schreckgespenst des Messie?

In der Installation "7 Feuer und keine Leiche" in der Galerie kooio werden die beiden Besitzentledigungsaktionen von 1978 und 2009 in Beziehung zu Positionen von geistigem Besitz gestellt.
Die Performance "7 Feuer und keine Leiche" wird am 7.5. um ca. 19.30 im Waltherpark stattfinden. Wir treffen uns um 19h in der Galerie zur Ausstellungseröffnung und spazieren dann gemeinsam die ca. 100m innabwärts in den Waltherpark.

Die eigentliche Besitz-Lösungsaktion findet in den Monaten April-Mai in Tom Zabels Atelier statt, das zufälligerweise genau neben dem Waltherpark in der Innstraße liegt. Tom Zabel stellt sich und uns die Frage, ob diese Art künstlerischer Aufarbeitung eines Lebensthemas “Kunst als Therapie” sein kann. Lange haben wir unter dem Schlagwort "Kunst als Forschung" gelebt. Zeigt sich hier ein neuer Aspekt zeitgenössischer Kunst, in dem sie noch konkreter unsere geistigen Entwicklungen fördert und unterstüzt?

Maria Rauch
Innsbruck, April 2009

 

Tom Zabel Biographie

Geb. 1956 in Heidelberg (BRD), lebt in Innsbruck.

Studium an der HdK in Kassel bei Harry Kramer und an der Hochschule für angewandte Kunst in Wien bei Peter Weibel und Bernhard Leitner. Weiterbildung in Tanz, Clown und Theater bei renommierten internationalen Lehrern: H. Zorell, Yves Lebreton, Walter Pfaff u.a.

Seit 1975 zeigt Tom Zabel kontinuierlich Bilder (Zeichnungen), Objekte und Installationen in Einzel- und Gruppenausstellungen: Museum des 20.Jahrhunderts Wien, Kunstverein Göttingen, Kunstpavillon IBK, Galerie im Andechshof IBK u.a.
Seit 1982 ist er hauptberuflich Performance Künstler. Neben einigen Programmen für Kinder und Erwachsene, entstehen zahllose einmalige Aktionen und Performances, die sowohl im Inland, als auch im Ausland (F, D, CH, E, I, P, Yu, CR, ET, NL) präsentiert wurden. Seit 1997 ist er Mitglied der Theatergruppe „du & nichts“(www.du-nichts.net), welche international u.a. bei Festivals (Oerol, Mimos, Aurillac, Festival de las Artes etc.) auftritt.
Er kuratierte und organisierte 3 Festivals zum Thema „Performance-Kunst“ und andere kulturelle Projekte. Tom Zabel hat langjährige Erfahrung mit Strassentheater und side specific work. Er gibt Workshops zum Thema "Performance, Ritual, Prozess".


Tom Zabel website

du&nichts website

kooio - Tom Zabel - 2009

kooio - Tom Zabel - 2009