austria - innsbruck - mariahilfstraße 40  
ready found
by maria rauch

ready found in process
reihe kunstforschungen : persönliche muster : teil II

eröffnung montag, 6. april um 19h

geöffnet 6. april - 4. mai 2009
di + mi 9.00 - 11.30, do + fr 15 - 19 uhr
und nach telefonischer vereinbarung

 

über ready founds

das ready found ist eine hommage an Marcel Duchamp.

das erste ready found wurde bereits 1988 in wien beim aufbau einer ausstellung von mir gefunden und isoliert. damals definierte ich es durch drei eigenschaften:

1. nicht transportierbar
2. nicht verrückbar
3. nicht reproduzierbar

und: das ready found ist ein bereits am ort seiner wirkung vorgefundenes ready made.

die in der aktuellen ausstellung präsentierten ready founds sind nicht in allen punkten so definiert. das erste ready found war eine raumsituation. diesmal gibt es auch tragbare ready founds.

was sie gemeinsam haben, ist, dass sie gefunden worden sind, als sie schon fertig waren.

das erste ready found wurde von mir niemals berührt. die jetzt gezeigten ready founds wurden von anderen personen und von mir in die form gebracht, in der sie gefunden worden sind.

der akt des findens ist wie bei Marcel Duchamp ästhetisch indifferent. es spielen auch keine symbolischen bezüge eine rolle.
   
es ist ein akt der entscheidung, der direkt passiert.

alle ready founds sind direkt erfahrbar.

ein kommentierender text lenkt aufkommendes interpretierendes denken in die richtung, in der meine eigenen konzeptuellen überlegungen liegen.

der raum jeden moments könnte ein ready found sein.

das ready found in process ist eine gefundene raumsituation / ein gefundenes objekt, das auf funktionaler ebene in verwendung bleibt und sich dementsprechend weiterverändert.

meine konzeptuellen überlegungen beschäftigen sich mit der sprache des kunstwerks, in diesem fall anhand von variationen. ich möchte hier eine einführung in diese sprache geben. die deutung - das “sich-ins-werk-setzen der wahrheit des seienden” * zu begreifen, überlasse ich den ausstellungsbesuchern.

innsbruck, 24.3.09, maria rauch

* Im Anschluss an Schelling und Hegel definiert Martin Heidegger in seiner Arbeit “Der Ursprung des Kunstwerks” (1936) das „Wesen der Kunst als das Sich-ins-Werk-Setzen der Wahrheit des Seienden”, die dem Philosophen diskursiv nicht zugänglich ist.
(Encarta, Ästhetik)

 

zur relation ready made - ready found

Die ausstellung ready found bezieht sich auf die bereits 1913 erfundenen ready mades von Marcel Duchamp und nimmt darauf in vielerlei weise bezug. während das ready made ein gebrauchsgegenstand ist, der aus seinem funktionalen zusammenhang genommen und in den kunstkontext gestellt wird, ist das ready found ein "bereits am ort seiner wirkung vorgefundenes ready made".

das besondere an den ready mades ist/war, dass sie aus bereits fertigen gegenständen bestehen, die es als massenware zu kaufen gibt/gab. sie waren austauschbar gedacht: eine kopie hatte für marcel duchamp den gleichen wert wie das original.
ganz anders die ready founds: sie bestehen zwar auch aus fertigen produkten, aber dieser aspekt ist sekundär. wichtig ist, dass sie im moment ihrer findung bereits fertig sind - entweder als raumsituation oder als assemblage. sie müssen nicht in den kunstzusammenhang gebracht werden, sondern befinden sich zum zeitpunkt ihrer findung schon darin. das macht jedes ready found einmalig. eine reproduktion der äußeren bestandteile benötigt einen herstellungsprozess und ist somit kein ready found mehr. ready founds sind nicht reproduzierbar.

ready founds bestehen immer aus zusammengesetzen komponenten. es kann ein einzelnes objekt im raum sein oder eine ansammlung von objekten, die in bezug zueinander stehen.

das ready found ist gegenüber dem ready made kein fortschritt. es ist nicht mehr oder weniger. es ist etwas anderes.
   
was ready made und ready found gemeinsam haben, ist in ihrer künstlerischen methode oder künstlerischen sprache zu finden. ebenso wie Marcel Duchamp nehme ich mittels definitionen stellung zu bestimmten fragen der kunst und philosophie und ebeno lote ich grenzbereiche von kunst und alltag aus.

ready founds sind im gegensatz zu ready mades nicht reproduzierbar. allerdings könnte man ohne probleme täglich hunderte von ready founds finden, ebenso wie man täglich hunderte von ready mades wählen könnte.

ein objekt kann gleichzeitig ein ready made und ein ready found sein. in der doppelfunktion verliert es seine reproduzierbarkeit.

ebenso wie die ready mades beschäftigen sich auch die ready founds nicht mit fragen des geschmacks.

so wie jedes von Marcel Duchamp definierte ready made andere aspekte möglicher ready mades aufzeigt, sind auch die ready founds alle verschieden und tragen auf diese weise zur definition der kategorie ready found bei.

ebenso wie bei den ready mades ist auch bei den ready founds der gehalt nicht im bereich der materiellen objekte, sondern im bereich des hinter ihnen liegenden sinngeflechts, um mit duchamp zu sprechen: der "grauen materie" zu finden.

innsbruck, 27.3.2009, maria rauch

 

über retinale kunstrezeption:

marcel duchamp geht es auch um ein überwinden der retinalen kunstrezeption zugunsten der "grauen materie".

wenn ich sage, die ready founds sind direkt erfahrbar, dann stelle ich die behauptung auf, dass sich der vorgang der bestimmung eines ready founds, der ein direkter ist und sich deshalb auch im feld des ästhetischen aufhält, umkehren lässt.

ich nehme an, dass es einem geschulten spurenleser und kunstkenner möglich ist, aus dem materiellen residuum, das er vorfindet, in direkter weise und ohne bewusste einschaltung des gehirns den prozess zu rekonstruieren und einen präzisen gesamteindruck zur thematik zu bekommen. allerdings setzt das viel retinales kunstlesetalent bzw. erfahrung voraus.

es geht mir nicht um eine überwindung der retinalen kunstrezeption sondern um deren schulung und entwicklung.
ready founds können als werk kommentarlos für sich stehen.

auch marcel duchamp hat seine ready mades kommentarlos präsentiert. er fordert ein ganzheitliches wahrnehmen, das über netzhautrezeption und geschmacksfragen hinausgeht. hier gehe ich natürlich konform.

die retinale kunstrezeption bringt feinheiten ans tagesicht, die der ganzheitlichen wahrnehmung nahrung geben. worte kommen niemals an sie heran.

genau die retinale wahrnehmung kann, wenn sie losgelöst von geschmack und erkennbarer gestalt frei differenzieren kann, in die von duchamp gewünschte tiefe führen.

ein kommentartext ist wie eine gröbere ebene, er kann richtungweisend, aber niemals befriedigend sein. er kann manchmal der eigenen arbeit schaden, weil man sie selbst nicht ganz versteht und sich durch definitionen und festlegungen einengt. auch duchamp misstraute dem gesprochenen wort, wohl ebenso sehr wie der retinalen kunstrezeption.

innsbruck, 29.3.2009, maria rauch


zur verkaufbarkeit

genau genommen sind ready founds nicht verkaufbar, weil sich der findungsprozess im inneren abspielt. das äußere, anlass gebende objekt oder die raumsituation ist verkaufbar. wenn hier “nicht verkaufbar” angegeben ist, so sind im ready found dinge enthalten, die mir nicht gehören. eine nicht transportierbare raumsituation ist theoretisch verkaufbar, wenn mir der raum und die objekte gehören.
die nicht-verkaufbarkeit ist nur relativ und momentan. eine verkaufbarkeit könnte theoretisch mit dem momentanen besitzer arrangiert werden.

zur reproduzierbarkeit

ein ready made ist reproduzierbar, wenn es aus teilen besteht, die es nachzukaufen gibt und wenn man es ohne schiwerigkeiten nocheinmal herstellen kann. feine unterschiede und spuren der herstellung wie hanschrift etc. spielen keine rolle, weil der wert des ojekts z.b. im theoretischen oder im symbolgehalt liegt und sie daher zweitrangig sind.

ein objet trouvé nenne ich dagegen ein objekt, das einzigartig ist aufgrund seines alters, seiner spuren etc.
ein anderes ähnliches objekt könnte es nicht ersetzen.

ein ready found kann aspekte des ready mades oder des objet trouvè haben.
aber es wäre auch nicht reproduzierbar, wenn es aus lauter leicht ersetzbaren teilen bestünde, weil sein wichtigster aspekt die art seiner findung ist als “bereits fertig”. ein akt der reproduktion könnte diesen vorgang nicht wiederholen. das objekt würde zwar gleich ausschauen, aber es würde nur den ready made aspekt erfüllen, nicht den des ready found.

zur transportierbarkeit

alle bisher gefundenen ready founds bestehen aus mehreren teilen. raumbezogene ready founds sind nicht transportierbar, weil der raum - eines seiner teile - nicht transportierbar ist. ready founds, deren bestandteile transportierbar sind, sind transportierbar. die definition: "bereits am ort seiner wirkung vorgefundenes ready made" hatte gültigkeit in bezug auf das erste ready found, das raumbezogen war. die hauptdefinition, die für alle ready founds gültigkeit hat, ist die des namens ready found: sie sind fertig gefunden - zum zeitpunkt ihrer findung bereits fertig.

zur konservierbarkeit

alle hier ausgestellten ready founds sind jedenfalls theoretisch relativ gut konservierbar. einige haben die eigenschaft der staubkultur.
praktisch gesehen sind ready founds sehr schlecht konservierbar. man erinnere sich an den satz: "der raum jeden moments könnte ein ready found sein", der für mich immer wichtiger wird. ready founds sind unzählig und flüchtigkeit ist in der praxis ihr grundcharakteristikum.

maria rauch, 6.4.2009

 

Zu den Gestellen

Die Gestelle - ursprünglich Fensterrahmen, habe ich ca. 1992 gefunden und wollte sie als Maluntergründe anstatt Keilrahmen verwenden. ich habe noch zwei weitere, die ich mit Stoff bespannt, aber nicht grundiert habe. Weil sie ursprünglich als Malgründe gedacht waren, aber später als schon fertig erkannt wurden, sind sie ready founds, in diesem Fall mit symbolsichem Gehalt. Sie sind natürlich transportierbar, und sie sind auch reproduzierbar, denn sie sind austauschbar. Ihr Wert liegt hauptsächlich im symbolischen Gehalt. Andere Rahmen könnten dasselbe repräsentieren.

Alle fünf Rahmen waren auch Bestandteil der Ausstellung “Kunstforschungen - persönliche Muster” Teil 1, 1997 in der Kg Pembaur. Sie waren damals frei hängend im Raum in einer Linie installiert.

Sie hatten damals dieselbe Bedeutung wie diesmal, aber diesmal kommt noch die Komponente der Raumkoordinaten dazu.

Sie stehen in engem Bezug zu folgenden Zen-Texten:

Shen Hsiu:
Unser Körper ist der Bodhi-Baum
Und unser Geist ein heller Spiegel auf dem Gestell.
Stunde um Stunde wischen wir ihn sorgfältig ab
Und lassen keinen Staub sich darauf niederlassen.

Dagegen Hui neng:
Im Grund ist Bodhi gar kein Baum,
noch ist der klare Spiegel ein Gestell.
Da alles Leere ist von Anbeginn,
wo heftete sich Staub denn hin?

(T’an-ching, 8. Jh. nach Chr. )

Die Rahmen repräsentieren Konzepte der Seele. Sie können ein Spiegel, ein Fenster, etwas Durchlässiges, Halbdurchlässiges oder Undurchsichtiges sein. Als Konzepte stehen sie im Gegensatz zu dem klaren Spiegel ohne Gestell, der nirgends gestellt oder gehängt werden kann und der die Seele eigentlich repräsentiert. Fenster und Spiegel sind zwei Möglichkeiten der Seele, sich nach innen oder außen zu wenden. Die Seele ist auch der-die Wahrnehmende. Letzendlich nimmt man im Inneren wahr, daher der Spiegel.

In diesem Fall sind die Gestelle so gehängt und gelegt, dass sie wie Koordinaten waagrecht und im Winkel von 90 Grad senkrecht zueinander stehen, allerdings nicht mit einem gemeinsamen Zentrum. Dieses Zentrum befindet sich im Raum außerhalb der Gestelle. Hinter ihnen befindet sich Wand bzw. Boden. Meine Absicht ist, durch die Rahmung bestimmter Stellen im Raum auch auf die außerhalb dieser Rahmung liegenden Boden- und Wandteile aufmerksam zu machen. Die eigentlichen ready founds befinden sich ungerahmt im Raum - den Worten Hui nengs entsprechend. Der Akt der Isolation - Hervorhebung - Rahmung entspricht nicht dem Charakter des ready founds.

Diese Legung entstand nicht in der hier beschriebenen Absicht. Ich habe mich an die Rahmen erinnert und sie standen in Beziehung zum ready found-Thema. Gleichzeitig gingen mir die oben genannten Sprüche durch den Kopf. Der Versuch, die Rahmen im Raum einzusetzen hat zu den oben beschriebenen Entsprechungen geführt.

Eine Ecke als ready found zu definieren ist eine alte Idee, etwa aus er Zeit des ersten ready founds, 1988-91. Damals bestand aber schon die Problematik, dass es nicht möglich ist, die Ecke zu kennzeichnen oder abzugrenzen. Das würde nicht entsprechen.

Maria Rauch, 6.4.2009

 

Das erste ready found

Das erste ready found wurde von mir 1988 in der Hochschule für angewandte Kunst, bei den Vorbereitungen zu einer Ausstellung der Meisterklasse Ernst Caramelle gefunden. Wir hatten unsere Kunstwerke schon aufgehängt bzw. plaziert, und im unteren Stock stand eine Schreibmaschine, auf der wir Schilder mit Titel und Namen tippen konnten, die dann in die Nähe der Arbeiten geklebt wurden. Die Ausstellung war im Stiegenhaus vor unseren Klassenräumen, und dort befand sich auch ein Lift. Die oben zu sehenden Ständer auf Rollen waren von jemandem in die Nähe des Lifts geschoben worden, wohl um sie in ein anderes Stockwerk zu transportieren. Als ich sie sah, schaltete ich sofort. Ich lief schnell zur Schreibmaschine und tippte einen neuen Zettel:

ready found
by Maria Gressenberger-Rauch

Eigenschaften:
1. nicht transportierbar
2. nicht verrückbar
3. nicht reproduzierbar

Der Name "ready found" kam mir in dem Moment, als ich die Ständer da stehen sah.

Ich verwendete den Namen Gressenberger-Rauch in Erinnerung daran, dass Duchamps Name eigentlich Villon war, dass er sich eine Zeitlang Duchamp-Villon genannt hatte und erst später den Namen Duchamp, den Mädchennamen seiner Mutter, annahm. Ich hatte eine Zeitlang durch Heirat den Namen Gressenberger. 1988 verwendete ich aber normalerweise wieder meinen Geburtsnamen Rauch. In diesem Zusammenhang schien es mir passend, es wie Duchamp ein bisschen komplizierter zu machen.

Die Eigenschaften überlegte ich mir ebenfalls während des Schreibens. Eine Definition war notwendig, aber sie musste kurz sein, denn sie sollte auf dem kleinen Schild Platz haben, und sonst wären die Ständer womöglich schon weg gewesen. "Nicht transportierbar" und "nicht reproduzierbar" grenzten das ready found vom ready made ab. Es war vor Ort gefunden und wurde niemals berührt, niemals zurechtgerückt. Auch ein Zurechtrücken hätte es seiner Eigenschaft als "bereits fertig gefunden" enthoben. Daher: "nicht verrückbar".

Mit diesen drei Eigenschaften war festgelegt, dass die Essenz dieser Arbeit nicht im materiellen Bereich sondern außerhalb davon - im Bereich der Definition, des Prozesses, der Wahrnehmung, der grauen Materie - wie auch immer man es sehen mag, lag. Dieser Punkt war für mich wichtig und alles schien mit den drei Eigenschaften ausreichend bezeichnet. Deshalb beließ ich es auch später dabei.

Ich klebte den Zettel auf den Boden neben den Ständern und hatte somit mein ready found fixiert. Es blieb die ganze Ausstellung über an dieser Stelle stehen. Ich war sehr glücklich, denn ich war davon überzeugt, dass mir eine sehr wichtige Arbeit gelungen war.

Während der Ausstellung hörte ich, in welchen Stock die Ständer eigentlich transportiert hätten werden sollten. Nach der Ausstellung brachten wir sie dorthin.

Über die vielen Jahre von 1988 bis 2009 festigte sich in mir die Überzeugung, dass das ready found wirklich eine wichtige Arbeit von bleibender Aktualität ist. Ich wollte immer einen Kommetartext dazu schreiben und tue es hiermit zur aktuellen Ausstellung.

Maria Rauch, Innsbruck am 9. April 2009

kooio - Maria Rauch - 2009

kooio - Maria Rauch - 2009

kooio - Maria Rauch - 2009